Leider nach wie vor in wesentlichen Punkten ungeklärt ist die Geschichte des Königstigers. Aufgrund der Fahrgestellnummer 280215 ist davon auszugehen, dass der Panzer im September 1944 an die Truppe – damals wohl die Schwere Panzerabteilung 506 – ausgeliefert worden ist. Dann aber verlieren sich seine Spuren bis ins Jahr 1957. Am Fahrzeug selbst fällt auf, dass es gewisse technische Modifikationen gegenüber den Panzern im Truppendienst aufweist. Auch sind keinerlei Kampfspuren wie Einschläge kleinerer oder grösserer Geschosse oder entsprechende Reparaturstellen vorhanden. Lediglich die abgesprengte Rohrmündung – wohl eine absichtlich herbeigeführte Beschädigung, um die Kanone unbrauchbar zu machen – zeigt einen Schaden im Zusammenhang mit Kriegsereignissen. Solche Sprengungen wurden vor allem durch die eigene Besatzung des Panzers mit dafür mitgeführten Sprengladungen vorgenommen, damit ein zurückgelassener Panzer nicht unversehrt in Feindeshand fällt. Aber auch Soldaten der Gegenseite – so die Amerikaner in den Ardennen 1944 – nahmen Sprengungen feindlicher Fahrzeuge vor, damit nach einem allfälligen Rückzug die Deutschen die Panzer nicht wieder verwenden konnten.

Königstiger, fotografiert angeblich von einem französischen Soldaten in Bregenz (Foto: Buch „24 Panzerwrecks“, Lee Archer)

In dem im Februar 2022 erschienen Buch „24 Panzerwrecks“ von Lee Archer ist auf Seite 81 das Foto eines Königstigers abgebildet, bei dem es sich mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit um unseren Königstiger handelt.

Das Foto zeigt einen Königstiger mit abgesprengter Mündung unter einem Vordach vor einem teilweise beschädigten Gebäude mit dem Verkehrsschild „Einbahnstrasse“. Vor dem Panzer posiert ein französischer Soldat. Das Foto wurde angeblich von einem französischen Soldaten gemacht. Das Bild soll in Bregenz in Österreich aufgenommen worden sein, Allerdings fehlen Hinweise auf Fotograf, Zeitpunkt und genauen Ort sowie die Umstände der Erstellung des Bildes.

Die Spuren der Rohrsprengung entsprechen denjenigen unseres Königstigers. Der Panzer weist einen Zimmeritanstrich (betonartige Paste zum Schutz gegen magnetische Panzerminen) auf, wie er bis im Laufe des September 1944 bei allen deutschen Panzerfahrzeugen aufgetragen wurde. Unter Königstiger wies schon in den ersten Jahren in Thun keinen Zimmeritanstrich mehr auf. Lediglich unter dem Turmheck konnten wir noch Spuren von Zimmerit feststellen. Das Fehlen der Panzerschürzen und der äusseren Teile der vorderen Kotflügel sowie die normale Kette entsprechen unserem Königstiger. Die markante Form des Tarnanstrichs an verschiedenen Stellen bildet ein hervorragendes Merkmal zum Vergleich mit anderen Fahrzeugen.

Schon länger bekannt ist uns das obige, im Internet unter „historicalmedia 2006“ veröffentlichte Bild eines weiteren Königstigers, der große Ähnlichkeit mit unserem Fahrzeug aufweist. Leider ist das Bild im Bereich der Rohrabsprengung unscharf, womit genaue Vergleiche dieses wichtigen Details nur bedingt möglich sind. Allerdings weist dieser Panzer im Vergleich zum dem Königstiger „Bregenz“ keine Kampf-, sondern die schmaleren Verladeketten auf. Der Panzer steht auf einem grösseren Gelände, hinten Lager- oder Unterstellhallen, im Vordergrund ein Pantherturm. Links vor dem Panzer stehen einige zivil gekleidete Herren. Zeit und Ort der Erstellung des Fotos sind nicht bekannt.

Interessant ist der Vergleich der beiden Fotos. Beide Fahrzeuge weisen eine an der Wanne identische Tarnbemalung auf. Dies ist darum bedeutsam, weil die Tarnanstriche im Gegensatz zu heute nicht mit Schablone immer gleich aufgetragen wurden, sondern individuell durch die Truppe. Es dürfte sich also bei beiden Fahrzeugen um unseren Tiger handeln.

Das bringt uns allerdings der Lösung anstehender Fragen zur Geschichte des Panzers kaum näher. Welches Bild wurde zuerst erstellt? Warum und wann wurden die Ketten gewechselt? Sollte das erstgenannte Bild tatsächlich in Bregenz erstellt worden sein, so ist festzuhalten, dass es im Grossraum Bregenz keinerlei Einsätze oder Kämpfe deutscher schwerer Panzer gegeben hat. Dass der Panzer in Bregenz gestanden haben soll, könnte zwar auf eine Bereitstellung zum Transport in die Schweiz hindeuten, aber lediglich im Sinne einer Vermutung ohne weitere Indizien.

Der Ort Bregenz könnte aber in anderer Hinsicht bedeutsam sei. Nicht weit von Bregenz, auf der anderen Seite des Bodensees in Markdorf, befand sich auf der dortigen „Panzerwiese“ am Gehrenberg das Testgelände der Firma Maybach.

Dank Informationen von Herr Egon Wegmann aus Markdorf wissen wir, dass dort Ende 1944 bis Februar 1945 ein Königstiger ohne Turm von Maybach-Testfahrern erprobt wurde. Egon Wegmann hat uns aus seinem Archiv die entsprechenden Fotos zur Verfügung gestellt. Eines dieser Bilder von Februar 1945 zeigt den Maybach-Testfahrer Alouis Fehrenbach auf der Fahrt mit dem Königstiger-Chassis nach Wangen im Allgäu. Die festgestellten Modifikationen an unserem Königstiger sprechen für eine mögliche Testerprobung. Leider liegen von dieser Erprobung nur noch einige Fotos, aber keine schriftlichen Aufzeichnungen mehr vor. Wir wissen demzufolge nicht, was überhaupt getestet wurde und welches Fahrzeug dafür verwendet wurde.

Es wäre denkbar, dass am Ende dieser Erprobungen gegen Kriegsende (im Zeitraum von Februar bis April 1945) für den Kampfeinsatz der demontierte Turm wieder aufgesetzt wurde. Diesfalls wäre die Kanone gesprengt worden, bevor die Franzosen den Panzer erbeuteten und nach Bregenz brachten. Gegen diese Theorie spricht allerdings, dass das Testfahrzeug, so weit aus den Fotos ersichtlich,abgesehen von anderen nicht übereinstimmenden Einzelmerkmalen keinen Zimmeritanstrich aufwies. Auch fehlt der in Bregenz vorhandene Behälter für Antennenstäbe am Heck rechts oben. Es wäre wenig wahrscheinlich,, dass nach der Komplettierung des Fahrzeuges am Abschluss der Testphase kurz vor Kriegsende aufwändig ein Zimmeritanstrich angebracht und eine Tarnung aufgespritzt worden wäre. Beim Erprobungsmodell aus Markdorf dürfte es sich damit wohl nicht um unseren Königstiger handeln.

Nachfolgend werden vier Bilder der Erprobung des Königstigers auf der „Panzerwiese“ bei Markdorf gezeigt, die aus dem Archiv von Egon Wegmann, Markdorf, stammen.

Während genau dokumentiert ist, dass die französische Armee der Schweiz 1945 verschiedene deutsche Panzer schenkte (Panther, Jagdpanther, Panzer IV, Stumgeschütz IIIG, Hetzer etc.) und auf welche Weise diese Fahrzeuge in die Schweiz gelangt sind, so lagen für den Königstiger bis vor kurzem keinerlei Hinweise vor. Erst seit Anfang 2024 ist dank der Forschungsarbeit von Herr Christoph Zimmerli bekannt, wann und wo der Königstiger in die Schweiz gelangt ist. Aus der im Bundesarchiv erhaltenen Liste über Speditionen und Zollabfertigungen der Kriegstechnischen Abteilung (KTA) des Jahres 1957 geht unter der Eingangnummer 317 mit dem Vermerk «Umsped.» hervor, dass am 24 August 1957 in «CFF Pruntrut 1 Königstiger-Panzer» (von Frankreich her) in die Schweiz gelangt ist.Das ist eine gute Grundlage, um nach der Herkunft des Königstigers in Frankreich zu forschen.

Ein weiterer Beweis über die Existenz des Königstigers in der Schweiz bildet ein im Bundesarchiv aufgefundener Beleg der Kriegstechnischen Abteilung (KTA) vom 26. September 1957, gemäss welchem der Abteilung für Leichte Truppen „1 Panzer Königstiger, unvollständig“ zur Verfügung abgegeben wurde. Es liegen im Weiteren 1958 in Thun anlässlich eines Umschulungskurses des Panzerbataillons 12 aufgenommene Fotos vor, die den Königstiger bei einer Bergeübung mit zwei Entpannungspanzern 56 „Centurion“ als Schleppobjekt zeigen.

Fahrgestellnummer in der Wanne vorne links
Königstiger in Thun ca. 1958 (Rohrmündung abgesprengt und Rohr nach Demontage der Vorhohler ca. 1m zu weit im Innern des Turms)
Königstiger als Schleppobjekt 1958 in Thun, UK Pz Bat 12 mit Entpannungspanzer 56 (Centurion)
Bild: Archiv Schweiz. Militärmuseum Full

Die Fachliteratur zeigt verschiedene Fotos von Königstigern mit abgesprengten Rohrenden von verschiedenen Kriegsschauplätzen, aber ein Bild unseres Exemplars wurde bisher nicht gefunden. In den letzten Jahren und Monaten haben wir aus Holland, Belgien und Frankreich zahlreiche Hinweise und Fotos erhalten, die unseren Königstiger zeigen sollen. Leider handelte es sich dabei um nicht eindeutig verifizierbare oder aufgrund von erkennbaren Fahrzeugmerkmalen unzutreffende Vermutungen. Am besten wäre es, wenn jemand, der in den 50er-Jahren mit dem Panzerwesen in der Schweiz beschäftigt war oder über entsprechende Unterlagen verfügt – sei dies als Angehöriger der Armee, der K+W Thun oder eines AMP – über die Herkunft noch Auskunft geben könnte. Unsere bisherigen Nachforschungen sind leider ohne Erfolg geblieben, da wesentliche Panzerexperten wie beispielsweise Divisionär Hüssy oder Oberst Fruhstorfer verstorben sind oder andere, noch lebende ältere Panzerleute bisher keine neuen Erkenntnisse zum Königstiger beisteuern konnten. So sind wir weiterhin lediglich auf Vermutungen angewiesen.

Rohr der 8.8cm Kanone L71 mit abgesprengter Mündung, Ansicht von links
Rohr der 8.8cm Kanone L71 mit abgesprengter Mündung, Ansicht von rechts

Die jüngere Geschichte des Königstigers in Thun ist schnell erzählt. Nachdem er am 24. August 1957 wohl von Frankreich her bei Pruntrut (Porrentruy)  in die Schweiz gelangte, verblieb er nur kurze Zeit bis zum 26. September 1957 in der Kontruktionswerkstätte Thun (K+W). Unter diesem Datum wurde er der Abteilung für leichte und mechanisierte Truppen abgegeben und diente er der Truppe in Thun eine Zeit als Schleppobjekt für Panzerbergungen, bevor er dann im „Panzermuseum“ vor den Baracken im alten Armeemotorfahrzeugpark aufgestellt wurde. Auf dem Foto von Schleppübungen 1958 sind hinten am Turm noch Reste eines Zimmeritanstrichs zu erkennen. Im Wesentlichen wies er aber nur Reste der braunroten Rostschutzgrundierung auf. 1975 wurde er erstmals äusserlich mit einem beige/grünen Tarnanstrich restauriert. Nach Überführung in das neu geschaffene Freilicht-Panzermuseum im „Polygon“ zwischen den Panzerhallen des Waffenplatzes Thun erhielt er einen Dreifarben-Tarnanstrich. Ab 2006 stellte die Armee den Königstiger dem Schweizerischen Militärmuseum Full als Dauerleihgabe zur Verfügung, dies mit der Auflage, dass der Panzer auf Kosten des Militärmuseums restauriert wird. Seit 2007 wird die völlige Restaurierung mit dem Ziel der Funktionsfähigkeit vorgenommen, wobei die hohen anfallenden Kosten allerdings nur ein schrittweises Vorgehen erlauben.